Roger Glover's Russlandtourerlebnisse 2004

      Roger Glover's Russlandtourerlebnisse 2004

      Roger Glovers Russlandtourerlebnisse 2004 übersetzt ins Deutsche:

      Wie so oft verwöhnt uns Roger mit seinen Erlebnisberichten, die er auf Tour hat.
      So diesmal auch in seinem Russlandbericht. Er ist wie immer humorvoll,
      nachdenklich, tiefgründig und selbstkritisch, ich hatte das Gefühl dabei zu
      sein, so gut beschreibt er manche Situationen. Es kann sein, dass der eine oder
      andere Fehler beim Übersetzen dabei ist, aber im Großen und Ganzen habe ich mich
      bemüht, den Sinn festzuhalten. Ich wünsche Euch viel Freude dabei, seinem
      Bericht zu folgen:

      2004 Russlandtour Bericht

      Diese Tour geht durch 17 Städte, die über Abschnitte des Gebietes verteilt sind,
      welches vor kurzem noch als Sowjetunion bekannt war und jetzt Russland und die
      Ukraine genannt wird. Während ich dies schreibe, sind wir ungefähr bei der
      Hälfte angelangt und noch nicht in der Ukraine.
      Aufgrund er weiten Entfernungen reisen wir mit unserem eigenen gecharterten
      Dreimotorenflugzeug, einer PAK 42 und es ist ziemlich leicht. Trotzdem bedeutet
      das nicht, dass wir Flughafen-Security vermeiden können. Das Echo unserer
      Schritte hallt in der kuppelartigen Decke kaum beleuchteter Gebäude wieder,
      welche oft mehr wie eine Kirche als wie ein Terminal aussehen, während wir
      gehetzt unsere Taschen schleppen. Uniformierte Frauen in unglaublich sexy
      hochhackigen schwarzen Lederboots dirigieren uns ohne ein Lächeln in die X-Ray
      Maschine. Unser Flugzeug hat eine eigene Persönlichkeit, obwohl es schon viele
      Jahre in Betrieb ist und die Sitze und Ausstattung veraltet und angegriffen
      sind. Die Stewards wechseln von Tag zu Tag, aber es gibt einen Mann, der
      regelmäßig da ist. Er spricht ein wenig Englisch und sieht wie ein junger George
      Formby aus. Ich habe ihn aus verständlichen Gründen "Short back and sides"
      genannt.
      Bei der Ankunft werden wir an den meisten Flughäfen von einer Menge Leute des
      lokalen Sponsors, Security-Personal, TV-Reportern, Fotografen und
      Autogrammjägern empfangen, die sich eng um uns zusammendrängen und ein paar
      Worte hören wollen oder eine Unterschrift haben wollen, während wir in einen
      klappernden Van klettern, um in einer abenteuerlichen Fahrt zum Hotel gelangen.
      Dieser wird von einem heulenden Polizeiwagen begleitet. Einige unserer Hotels
      sind nicht allzu eindrucksvoll. Verkommen wäre wohl der richtige Ausdruck. Die
      Glühbirnen haben wohl 15 Watt und die Möbel sehen aus, als kämen sie aus den
      50ern. Damals war es wohl modern, aber jetzt wirkt es eher respekteinflößend. Es
      sind echte Juwelen darunter.
      Wir reisen mit einer tollen russischen Crew, die absolut professionel ist und
      unsere eigene Supercrew sehr schätzt. Es gibt dutzende von ihnen. In Hotelbars
      nach den Auftritten bin ich mittlerweile dazu gekommen den Worten "es ist eine
      russische Tradition" auszuweichen. Sie bieten einem Gläser voll klaren Wodka an,
      die eigentlich erstaunlicherweise ziemlich leicht runtergehen, egal was man
      vorher getrunken hat. Bevor man es merkt, ist das Glass wieder gefüllt und ein
      neuer Toast wird gehalten. Das kann sehr leicht der Beginn eines kulturellen
      Austausches sein, der jemanden bis in den nächsten Morgen folgt. Und es ist ein
      harter, gemeiner Morgen, der viel zu früh kommt.
      Das Essen lässt viel zu wünschen übrig. Manchmal läd uns ein Sponsor nach einer
      Show in ein Restaurant ein. Die Manager und Kellner wollen uns wohl beeindrucken
      und erfreuen, aber indem sie es zu sehr versuchen, geht es normalerweise schief.
      Wir werden zu Tischen geführt, die mit allem möglichen Essen beladen sind und
      vieles davon ist undefinierbar. Es scheint eine beängstigende Anzahl an Tellern
      zu geben, die eine schleimige Substanz enthalten, die mit irgendetwas
      Eingelegtem garniert ist. Fisch wird häufig ganz gekocht, die Augen starren uns
      leer an. Das Fleisch kommt in verschiedenen Grautönen an und das Gemüse ist
      entweder verkocht, kalt oder beides. Der Wodka ist gut und reichhaltig und hilft
      das andere Zeug runterzukriegen. Trotzdem sollten wir uns nicht beschweren, denn
      schließlich zahlen wir mit nichts Anderem, als unserer Anwesenheit und wir
      hatten bis jetzt eine gute Zeit.
      Die Auftritte waren im Großen und Ganzen exzellent, die Menge war begeistert uns
      zu sehen. Am nächsten Tag flog ein Sponsor über halb Russland um ein Foto mit
      uns zu machen. So konnte er es nach seiner Rückkehr in der Zeitung
      veröffentlichen lassen. Tatsächlich hat niemand so wirklich glauben können, dass
      wir wirklich in die Stadt kamen. Man kann das an dem Publikum merken, wenn wir
      unseren ersten Song "Silver Tongue" spielen. Dann scheinen sie zu sich "sie
      sind es, sie sind es wirklich" zu sagen und gehen voll ab. Und wie wir dort
      willkommen geheißen werden.... Die Altersspannweite ist beeindruckend. Es gibt
      grauhaarige Vertreter der älteren Generation, die ihre frühere Zeit, als unsere
      Lieder noch illegale Kopien von Kopien waren, auszuleben. Unter ihnen sind aber
      auch viele rotwangige Jugendliche, die auf und ab hüpfen und sogar noch jüngere,
      die ihre Hände in die Luft strecken und Spaß haben. Überall sind lächelnde
      Gesichter.
      Die Security ist überwältigend. Wo immer wir auch hingehen, begleiten uns 30
      oder 40 Männer. Es sind grimmige, blasse, breitschultrige Männer in Lederjacken,
      die nach eventuellen Problemen ausschauen- und sie gewöhnlich auslöschen, weil
      sie im Weg sind. Trotzdem bin ich zu dieser unvorhersehbaren Zeit froh, dass sie
      uns zur Seite stehen. Eines Morgens verließ ich mein Zimmer um frühstücken zu
      gehen und ich sah einen von ihnen, der am Ende meines Korridors postiert war.
      Mit seiner Sonnenbrille und seinem kurz geschnittenem Haar sah er wie ein
      typischer Verbrecher eines Hollywoodfilmes aus. Als ich mich ihm auf dem
      Korridor näherte, nickte ich und lächelte unsicher, weil er in seine übergroße
      Lederjacke griff. Es hätte leicht eine Pistole sein können, aber zu meiner
      Erleichterung war es nur eine Bananas-CD, die er unterschrieben haben wollte.
      Wenn wir gewöhnlich unser farbloses Hotel verlassen, um zum Konzert zu gehen,
      fahren wir in einer Kette von Autos und Jeeps, die am Anfang und am Ende von
      normalen Polizeiwägen begleitet wird. Diese haben strahlendes Rotlicht und
      Blaulicht um sich einen Weg durch den Verkehr zu bahnen. Dabei heulen die
      Sirenen und signalisieren anderen Autos anzuhalten oder aus dem Weg zu fahren.
      Und all das geschieht bei einem halsbrecherischen Tempo. Nachdem das ein paar
      mal passiert war und wir uns mit angehaltenem Atem in unseren Sitzen
      wieder fanden und uns wie in einer Achterbahn fühlten, mussten wir mit ihnen
      reden. Wir rieten ihnen langsamer zu fahren. Wir müssen uns nicht unbedingt wie
      auf einer Verfolgungsjagd zu fühlen.
      Das Security Personal im Stadion, das meistens eine Sportanlage ist, reagiert
      manchmal ein wenig übertrieben, aber das ist nicht nur typisch für dieses Land,
      woanders passiert das genauso. Die Zuschauer wollen natürlich aufstehen und sich
      der Bühne nähern. Sie werden nicht nur von diesen Schränken zurückgehalten,
      sondern auch von einer Spezialeinheit uniformierter Soldaten mit hohen
      Militärhüten, die einschreiten sobald sie denken, dass die Situation außer
      Kontrolle gerät. Aber Gewohnheiten verschwinden nur langsam, denke ich. Sie
      können manchmal sehr grob sein, aber sie sind in der Unterzahl und müssen
      vielleicht zurückweichen. Meistens haben jedoch die Zuschauer viel Spaß und
      genießen es, direkt vor der Bühne zu stehen.
      Die Backstage-Räume können ziemlich ungemütlich sein. Umkleideräume sind
      entweder stickig oder kalt. Platten die unter einer Plastikfolie komisch
      aussehende Snacks enthalten, die selten gegessen werden, bedecken die Tische.
      Und es liegt ein komischer Geruch von Irgendetwas das schon längst weggeputzt
      sein sollte, in der Luft. Das Security-Personal füllt die Korridore und ist wie
      gewöhnlich im Weg. Die meisten Gebäude sind alt und gut genutzt. Tatsächlich
      gibt es im ganzen Land viel Ähnlichkeit. Alles scheint in Grau getunkt zu sein,
      sogar die Bäume und Felder scheinen sich selbst zu bemitleiden. Auch wenn einige
      Städte dem Rest von Europa ähneln, gibt es doch sehr viele die man nur als
      Kommunistenblocks bezeichnen kann. Es sind zweckmäßige Gebäude, die aussehen,
      als ob sie ein uninspirierter Architekt mit möglichst wenig Geld entworfen
      hätte.
      Wenn wir die Außenbezirke der Städte passieren, können wir sehen, wie einige
      der ärmeren Menschen leben. Kleine Holzhäuser, die bemalt und dekoriert sind, um
      sich selbst aufzuheitern werden von kleinen Gärten umgeben, die aussehen, als
      kämen sie aus dem Mittelalter. Überall werden Feuerholz-Vorräte für den brutalen
      Winter angelegt. Manchmal sieht man die neueren Bauten aus rotem Ziegelstein,
      die in einem grandiosen Architekturbaustil gebaut sind. Aber irgendwie scheinen
      sie die Nachbarschaft nicht wirklich zu verschönern. Trotz all dem Gemecker
      kommen wir bestmöglich klar, verwöhnte Bälger, die wir sind. Die Russen sind so
      glücklich, uns zu sehen, dass es unangebracht wäre, sich zu sehr zu beschweren.
      Ian Gillan sagt gewöhnlich, dass wir echte Glückspilze sind. Es ist eine tolle
      Erfahrung, dieses Land zu sehen und Menschen zu treffen, die bodenständig sind
      und uns warm willkommen heißen. Sie haben so lange unter einem unterdrückenden
      System gelitten, dass es tief in ihrer Psyche verwurzelt ist und sie überwinden
      dies und das harte Wetter, indem sie so belastbar sind und sich nicht viel
      beschweren, ganz anders als wir!!!
      In Irkutsk hatten wir vor kurzem einen seltenen freien Tag. Wir wurden zu einer
      nachmittäglichen Bootsfahrt auf dem berühmten Baikalsee eingeladen. Es ist ein
      riesiges Gewässer, 400 Meilen lang und liegt in Sibirien. Obwohl sich der Winter
      ankündigte, war es ein wundervoll sonniger Tag und ein ganz besonderes Erlebnis.
      Das war es nicht nur für uns, sondern auch für die Bootsmannschaft, die aus
      Stan, dem Besitzer, seiner Familie und Sergei, dem Kapitän besteht. Wir wurden
      auf der Valeria, einem antiken Boot, dass schon viele Jahreszeiten gesehen hat,
      wie Könige behandelt. Und wir fuhren von einem Dock ab, dass voller Strände,
      Rauch und Verkäufer, die Souvenirs und Fisch anbieten, war. Nach dem Ablegen
      gab es zu essen und zu trinken, Gläser wurden gehoben und es wurde auf Glück
      angestoßen. Das Wasser dieses Sees ist für seine Klarheit bekannt, tatsächlich
      kann man es sogar trinken und es gibt sehr viel verschiedene Fischarten. Es gibt
      zwei Traditionen, einen Wodka hineinzuschütten, als Gruß an den See, die andere
      ist, eine Münze hineinzuwerfen um auszusagen, dass man eines Tages wiederkommen
      wird, ich hoffe, das werden wir!



      RG, 18. Oktober 2004



      Mich hat der Bericht sehr beeindruckt, wollen wir hoffen, dass sie gesund von
      ihrer Tour zurückkehren, dass ihnen und den Fans nichts passiert, bei all dem
      Terror, der gewesen ist....


      Rogermäßige Grüße

      Evi

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Snakebite“ ()

      Re: Roger Glover's Russlandtourerlebnisse 2004

      Hi Fans, liebe Evi, das ist ein ganz großartiger Tourbericht den Roger da geschrieben hat! Dies zeigt wieder einmal mehr, wie sehr er sich für seine Fans und alle anderen Menschen freut! Es verdeutlicht seine menschliche Wärme, und wenn man Roger sieht, sein Lächeln sieht, .... dann weiß man das er das Herz am rechten Fleck hat! Ein großartiges Erlebnis daran teilhaben zu dürfen, es hat mir sehr gut gefallen dies zu lesen! Vor allem auch eine Riesendank für die sciherlich mühevolle Übersetzung lieb Evi!!! Bye, Snakebite....
      Deep, deeper.... deepest-purple... :thumbup:

      Re: Roger Glover's Russlandtourerlebnisse 2004

      Hi Snakebite und alle anderen, Du sprichst mir aus der Seele, Rogers Bericht hat auch mich sehr berührt und zeigt Rogers Persönlichkeit. Er hat die Gabe, alles sehr anschaulich zu beschreiben, oft mit Humor, Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit. Vielen Dank, dass Du mir geholfen hast, dass alles zu posten. rogermäßige Grüße Evi

      Re: Roger Glover's Russlandtourerlebnisse 2004

      Auch ich möchte mich ganz herzlich bei Evi für die Übersetzung bedanken. Bin am Wochenende zufällig über meinen DP-Member-Interview-Ordner gestolpert und hab festgestellt, daß bei mir, da ich nur Interviews in Deutsch sammle, in großer Mehrzahl Gespräche mit Roger vorhanden sind. Er ist wirklich eine tolle Persönlichkeit und man fühlt sich durch seine Worte/Berichte fast selbst zum Purple-Cosmos dazugehörig... Vielen Dank dafür, daß du dir für uns Leser die Mühe gemacht hast ! PM

      Re: Roger Glover's Russlandtourerlebnisse 2004

      Liebe Evi , hallo Snakebite und Deep Purple Fans, erstmal vielen, vielen Dank Evi, für Deine Übersetzung. Du hast Dir viel Arbeit gemacht, die aber total "unter die Haut " geht. Ich habe Rogers Bericht "verschlungen " , als wäre ich dabei gewesen. In den 80ger Jahren war ich auch dort und habe annähernd die gleichen Erfahrungen gemacht. Ich glaube aber nicht dass die Menschen dort so sehr unter dem vorherigen System gelitten haben. Das Land ist so groß, dass die Politik an der Masse Mensch vorbei gezogen ist. Die Veränderungen waren nur in den Großstädten spürbar und die Russen-Mafia haben wir nun hier in Berlin-Lichtenberg. In den 80ger Jahren, durfte man, als Tourist, auch nur auf vorgeschriebenen Straßen fahren. Hatte man sich mal verfahren, war gleich die Miliz zur Stelle. Ansonsten kann ich mich auch noch an die farblosen Hotels wie Roger erinnern. Aber die Menschen sind dort halt anders als wir. Sie wollen dort oft und endlos feiern, ihr Haus/Wohnung kommt erst an 2. Stelle. Ich finde es toll, dass Roger das so treffend erkannt hat. Es beweisst wirklich, dass er ein sehr feinfühliger Mensch ist. Viele Grüsse, Eva
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