Irene hat einen Concertbericht von "Die Welt" im Netz entdeckt. Hier ist er schon:
Gute Minne zum bösen Spiel
In seiner Mittelalter-Combo gebärdet sich der frühere
Deep-Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore als Feudalherr
von Mark Behrendt
Wären da nicht die Strohballen und die Holzfässer, man könnte
meinen,
das Bühnenbild wäre ein Spendenaufruf der Ostseeanrainerstaaten für
die Opfer der aktuellen Blaualgenblüte. Aber dank der Strohballen und
der schemenhaften Stadtsilhouette im Hintergrund wissen wir: Es
handelt sich um eine lauschige Lichtung, die da im Schauspielhaus
darauf wartet, daß sie sich verdunkle zur schwarzsumpfigen Nocturne,
oder auch: Blackmore's Night. Dank des minnemusikalischen Vorprogramms
namens Geyers - vier süddeutsche Musiker in Sack und Wams, mit
Nycelharpa, Drehleier, Schnabelflöte, Gemshorn, Schrayerie und
Rahmentrommel - sind wir auch schnell zeitlich korrekt eingenordet:
Mittelalter, frivolstes: "Das ganze Jahr ist Maien, hört man die
Helden schreien" singen sie.
Blackmore's Night dann klingt so, als würden Mike Oldfield und Enya
gemeinsam Renaissancelieder, irischen Folk und Deep-Purple-Klassiker
auf einem Mittelaltermarkt nahe Rostock spielen. Dort würden der
Trommler Squire Malcolm of Lumley, der Bassist Sir Robert Of Normandy,
der Keyboarder Bard David Of Larchmont und die Sängerin Candice Night
wohl auch ihr Dasein fristen, hieße ihr Gitarrist nicht Ritchie
Blackmore. Der traf Frau Night anno 1989 bei einem Benefizfußballspiel
gegen eine New Yorker Radiostation, für die das damals 18jährige
Teilzeitmodel moderierte. "Sie entdeckten ihre gemeinsame Liebe für
die Renaissance und wurden schnell zum Paar", weiß der allwissende
"Allmusic Guide". "DER Ritchie Blackmore?" mag jetzt mancher
fragen.
Ja, es handelt sich um den ehemaligen Saitendrescher von Deep Purple
und Rainbow. Nun machen alternde Rockstars so manch wirres Zeugs, aber
das hier ist eine schwer zu schluckende Kröte: Den Mann, der bei
"Fireball" die Gitarre sägte, nun in Strumpfhosen beim
Gassenhauergniedeln von "Was sollen wir trinken, sieben Tage lang?" zu
erleben, das muß für den Deep-Purple-Jünger so sein wie für
den
Regensburger Religionslehrer, der beim Rombesuch einen Kardinal im
Puff verschwinden sieht.
Das Schauspielhaus ist komplett ausverkauft, in den ersten Reihen
mittelalterliche Bauernhemden, Burgfräuleinschärpen und
Renaissance-Samthüte, meist aus Großbritannien mitgereist. Exzellente
Claqueure. Blackmore dankt freundlich, indem er Getränke ins Parkett
reicht. Ansonsten beherrscht er den Abend absolutistisch, den
Programmverlauf entscheidet er spontan. Candice und Musikanten machen
gute Minne zum bösen Spiel: Nur als Blackmore einmal mitten im Song
das Programm ändert, ist Candice, mit einer wirklich schönen,
kraftvollen Stimme gesegnet, ein wenig ungehalten.
Großgrundbesitzerhaft beansprucht Blackmore die eine Hälfte der
Bühne
für sich und seine drei kleinen Gitarrenverstärker, während
sich Weib
und Musikantenschar auf der anderen Hälfte drängen. Die Geigerin
ist
in ihrem grauen Sackkleid kaum zu erkennen, die Backgroundsängerinnen
- Lady Nancy und Lady Madeline - stehen so weit hinten, daß sie bei
einem Fehltritt in die Außenalster zu kippen drohen. "Es war ein
sehr
gutes Konzert, Candice Night schien sehr angetan von dem Theater",
freut sich nach dem zweistündigen Mittelaltertrip ein Ehepaar aus
Neufünfland. Sie müssen es wissen, es ist bereits ihr viertes Konzert
auf der aktuellen Tour.
Artikel erschienen am Sam, 30. Juli 2005
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