Interview mit IAN PAICE zu BANANAS, DEEP PURPLE und vielem mehr

      Interview mit IAN PAICE zu BANANAS, DEEP PURPLE und vielem mehr

      HEAVY - Interview
      Not Dead Yet

      Nach fünf Jahren gibt es nun ein neues Studioalbum von DEEP PURPLE.
      Jon Lord hat die Band verlassen und dennoch: Es scheint gut zu laufen im Camp der Fast-Senioren. Wer's nicht glaubt, nehme 'Bananas' unter die Lupe und überzeuge sich von der Unverbrauchtheit eines 'House Of Pain' oder der akustischen Schönheit von 'Haunted'.

      Der King des Groove, Mister Ian Paice gibt sich die Ehre…

      Was hat es mit dem Albumtitel einer tropischen Frucht auf sich?
      " Es bedeutet natürlich mehr als nur das Wort. Der Titel bezieht sich auf die verrückte Situation in unserer heutigen Welt."
      Widmet ihr euch heutzutage stärker politischen Themen als früher?
      "Ich denke, Politik ist das falsche Wort. Wir waren in all den Jahren nicht wirklich politisch, sondern haben lediglich unsere Meinung zu bestimmten Themen in unseren Songs dargestellt."
      Welche Rolle hat euer neuer Keyboarder Don Airey hinsichtlich des aktuellen Albums eingenommen?
      "Don hat bis auf zwei Stücke - an denen Jon Lord mitschrieb - das komplette Album mitgeschrieben."
      Wie fühlt es sich an, mit einem Neuen zusammenzuarbeiten?
      "Don ist eigentlich gar kein Neuer. Wir kennen ihn schon lange aus anderen Projekten und wußten von seinen Fähigkeiten als Mensch und Musiker. Die Familie der guten Rock-Musiker ist nicht so groß. Roger Glover kennt ihn aus RAINBOW-Tagen, ich wiederum von der Arbeit bei GARY MOORE. Dons Technik ist schlicht und ergreifend phänomenal und man kommt wirklich gut mit ihm aus. Er stammt auch aus Großbritannien und ist ungefähr so alt wie wir. Schwierig ist allerdings die Tatsache, daß er in die Fußstapfen einer Legende treten mußte, denn Jon Lord ist eine Legende. Die meisten Parts, die Don zu bewältigen hat, sind von Jon geschrieben. Darunter ist viel klassisches Material, aber auch viel anderes. Bei den meisten Klassikern gibt es feststehende Keyboard-Parts, die Don so umsetzen sollte, wie sie Jon geschrieben hat. 'Highway Star' ist so ein Beispiel. Das gleiche gilt übrigens für die Gitarrenarbeit von Steve Morse. Manche Teile sind so prägnant von Richie Blackmore geschrieben worden, daß sie nachgespielt werden müssen. An anderen Stellen ist es natürlich möglich, seinen eigenen Stil einzubringen. Davon gibt es zu Genüge."
      Weiß ein Musiker dieses Kalibers sofort, wo er sich selbst einbringen kann oder an welcher Stelle er es lieber läßt?
      " Niemand ist unfehlbar. Wir anderen sagen ihm dann schon, was wir denken. Wir können darüber reden, was sehr wichtig ist. Im übrigen geht es nicht nur um Don. Wir sagen uns gegenseitig, was wir am anderen gut finden und was nicht. Manchmal finde ich eine Idee großartig, schlage aber im gleichen Atemzug vor, daß ich sie zu einem späteren Zeitpunkt besser fände. Wir gehen deshalb so vor, weil wir wollen, daß wir uns verbessern und weiterentwickeln. Bei DEEP PURPLE herrscht eine Situation, wo wir uns vertrauen können. Das war früher anders. Wenn Don eine Idee hat, kann er sie erst mal ausprobieren und dann sieht man weiter. Wenn wir sie nicht gut finden, sagen wir's ihm einfach."
      Wie haben ihn die Fans aufgenommen?
      " Fantastisch! Als die Leute erkannt haben, daß Jon aus eigenen Stücken DEEP PURPLE verlassen hatte, war es sowieso überhaupt kein Problem mehr. Jon wollte einfach nicht mehr touren. Er hatte den Drang, seine musikalische Karriere in eine andere Richtung zu lenken. Er mochte es nicht mehr, in Hotels und Flugzeugen zu sitzen, wobei er die Konzerte an sich bis zum Schluß liebte. Nur das ganze Drumherum war ihm eben ein Dorn im Auge. Vielmehr möchte er nun zu Hause seine ganz persönliche Musik schreiben. Er hat sich dafür entschieden, auf sein Herz zu hören. Es sagte ihm, er solle DEEP PURPLE verlassen und er hörte darauf."

      "DEEP PURPLE GEHT WEITER UND SOLL NICHT VERSTAUBEN."
      (MOTIVIERENDE WORTE IM ZUNEHMENDEN ALTER)

      Am Ende des Albums steht ein Outro namens 'Contact Lost', zu dem es Interessantes zu erzählen gibt...
      " Ja, die Geschichte birgt wirklich eine Art Besonderheit in sich. In dem vor Monaten verunglückten Space Shuttle befand sich auch eine Inderin, die ziemlich auf DEEP PURPLE abfuhr. Sie besuchte auch unsere Konzerte in Indien vor zwei, drei Jahren. Sie besaß viele unserer Plattern und so weiter. Wir lernten sie irgendwann kennen und blieben in Kontakt. Sie erzählte uns, daß sie sich einen bestimmtem Song von DEEP PURPLE zum Aufwachen aussuchen wolle. Wir sollten ihr aber einen Vorschlag machen. Also überlegten wir. Natürlich wäre, um aufzustehen und mit der Arbeit zu beginnen, 'Space Truckin" eine gute Idee für sie gewesen, lan Gillan tauschte immer mal wieder E-Mails mit der Shuttle Lady aus. Über sie entwickelte sich auch eine Art Beziehung zu den anderen Mitgliedern der Besatzung. Wir lernten auch die Verwandtschaft kennen und erfuhren einige interessante Dinge. Es war keine Freundschaft, aber dennoch eine nette Bekanntschaft, die sich da auftat. Als wir die schreckliche Nachricht vom Unglück des Shuttles erfuhren, hat es uns ganz kalt erwischt. Wir waren tief bestürzt und ich hätte nicht gedacht, daß uns diese Tragödie so sehr beschäftigen würde. Steve, der zu diesem Zeitpunkt gerade zu Hause saß, während wir anderen in Los Angeles im Studio waren, beschloß, diesen Menschen in Form von 'Contact Lost' Musik zu widmen. Er kam sofort zu uns und nahm das Stück auf, solange er sich noch in diesem traurigen Gemütszustand befand."
      Der Rest von 'Bananas' geht in eine ganz andere Richtung.

      Beschreibe bitte die Gründe für die Unverbrauchtheit, welche den neuen Songs entspringt.
      " Ich denke, diese Frische ist mit zwei oder drei Dingen in Verbindung zu bringen. Zum ersten haben wir uns dieses Mal mit der Vorproduktion richtig viel Zeit gelassen. Jedes Detail war schon fertig geschrieben, bevor wir ins Studio gingen. Somit hatte jeder von uns eine genaue Vorstellung von dem, was wir zu tun hatten. Früher sind wir oft mit einem halbfertigen Song angetreten. Da war es oft schwierig, das Ding mal eben fertigzumachen. Darüber hinaus hat uns unser Produzent diesmal viel Streß abgenommen. Wenn du deine Platten selbst produziert, besteht das Problem, daß du das Gesamtbild des Albums nicht überblicken kannst. Wenn ich beispielsweise die Drums einspiele, bin ich oft gezwungen, mehrere Takes nacheinander einzuspielen, was irgendwann total nervig wird. Wenn da aber einer ist, der sich immer wieder mit der Gesamtheit der Platte beschäftigt und dementsprechende Entscheidungen trifft, hilft das sehr und beschleunigt zudem den Prozeß. Nach dem sechzehnten Take kann es sein, daß mein Drumpart perfekt ist, aber leider strahlt er dann keine Seele mehr aus. Der Produzent hat also die Funktion, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen. Meist ist es besser, es beim ersten oder zweiten Take zu belassen, auch wenn er minimal daneben sitzt. Dann ist gewährleistet, daß darin Feuer und Seele steckt, was meiner Meinung nach weitaus wichtiger ist als Genauigkeit. Ansonsten kannst du auch eine Maschine laufen lassen."
      Wann hattet ihr zuletzt auf einen außenstehenden Produzenten zurückgegriffen?
      " Das war bevor lan und Roger Glover einstiegen,bei den ersten Alben. Danach haben wir es jedes Mal selbst versucht und glaube mir - es ist kein leichter Job. DEEP PURPLE besteht aus Mitgliedern mit einem gewissen Ego. Wir wollten sichergehen, daß unsere Instrumente beim Endprodukt auch gut hörbar waren. Eigentlich ist das alles Quatsch. Manchmal hast du ein Stück, das vom Gesang getragen werden sollte. Dann macht man die Gitarren eben leiser. Manchmal sollen die Drums im Vordergrund stehen, weil es um eine harte Rock-Nummer geht. Dann muß eben ein anderer zurückstecken. Es geht um den Song und nicht um Egos. Entscheidungen, die mit diesen Dingen in Verbindung stehen, müssen allerdings von einem Außenstehenden getroffen werden. Wobei es sehr hart für einen Musiker ist, wenn bestimmte Teile weit in den Hintergrund wandern müssen. Das ist wirklich nicht einfach."

      "SCHWIERIG IST; DASS DON IN DIE FUSSTAPFEN EINER LEGENDE TRETEN MUSSTE, DENN JON LORD IST EINE LEGENDE"
      (SCHWERES ERBE FÜR DON AIREY)

      Roger Glover hatte eingeräumt, daß im Gegensatz zu 'Bananas', das vorherige Studioalbum 'Abandon' eine schwierige Geburt war. Welche Gründe gibt es dafür?
      " Roger hat sich zuviel aufgeladen. Er versuchte, der Produzent, der Bassist und derjenige zu sein, der alle anderen Bandmitglieder bei Laune hält. Natürlich ist das unmöglich und kostet viel zu viel Kraft. Der Job des Produzenten ist es nicht, die Jungs bei Laune zu halten. Hätte er die Drums hier und da lauter gemacht, wäre ich bestimmt besser drauf gewesen, was natürlich Blödsinn ist. So kann eine Produktion nicht funktionieren. Man sollte ein klare Vorstellung vom Endprodukt haben und sich voll und ganz darauf konzentrieren können. Das gilt für jede Form von Kunst. Roger hat bei 'Abandon' einen phantastischen Job abgeliefert, aber es hat ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben."
      Die Ballade Haunted' ist großartig geworden. Balladen waren ja schon immer eine gesonderte Sache bei DEEP PURPLE...
      " Die ganzen Jahre über haben wir schon mitunter sehr merkwürdige Balladen geschrieben. Es waren keine typischen Balladen. 'Haunted' wiederum ist ganz anders. DEEP PURPLE Funs dürften überrascht von diesem Song sein. Was wir auf keinen Fall wollen, ist Stagnation. Es muß erlaubt sein, eine etwas andere Richtung einzuschlagen. Etwas dem Publikum zu unterbreiten, das in der Form noch nie da war. Wenn wir uns immer wieder kopieren würden, würden wir langweilig und zur Nostalgie Band werden. DEEP PURPLE geht weiter und soll nicht verstauben."
      Könntest du dir vorstellen unter bestimmten Voraussetzung wieder mit David Coverdale beziehungsweise Richie Blackmore zu arbeiten?
      " Ich weiß zwar nicht, was David gerade macht, aber bei ihm könnte ich mir das schon vorstellen. Wobei ich nicht weiß, ob seine momentane Schiene etwas für mich wäre. Aber grundsätzlich ja, sicher. Bei Richie bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, ich würde heute mit seiner Primadonna-Einstellung nicht mehr zurecht kommen. Bei Richie konnte ich mir nie sicher sein, ob er im Studio erscheint und auch auf der Bühne glänzte er ein paarmal durch Abwesenheit. Auf eine konstante Leistung konnte man sich bei ihm leider auch nicht verlassen. So etwas möchte ich mir eigentlich nicht wieder antun. Das Leben ist zu kurz dafür. Außerdem sollte es viel mehr Spaß machen und da passen solche Ausrutscher nicht mit hinein. Ich weiß nicht, ob sich Richie geändert hat oder jemals ändern wird. Ich denke, es ist Teil seines Naturells."
      Was kannst du über deine Zeit mit WHITESNAKE sagen, die dich mit Sicherheit geprägt hat?
      " Ich bin verdammt stolz auf das 'Live In The Heart Of The City'-Album! Im Studio ist es erlaubt, Schnitzer auszubügeln. Live nicht, die Leute merken das sofort, wenn du Scheiße baust. 'Live In The Heart Of The City' war ein Meilenstein wie auch 'Made In Japan'. 'Come An' Get It' war anders. Zu der Zeit haben wir davon abgesehen, im Studio mit Tricks zu arbeiten. Es war nicht nötig. Ich war schon immer darauf bedacht, mit den Drums eine solide Grundlage für die anderen Musiker abzuliefern. Das hat auf 'Come An' Get It' prima geklappt."
      Warst du damals leistungsstärker als zu einer anderen Zeit?
      " Ich kann mich an mehrere Alben erinnern, die mir sehr leicht fielen. Dazu gehört mit Sicherheit 'Come An' Get It'. Es gab natürlich auch schwierige Unterfangen. Manchmal sucht man sich einfach keine gute Zeit dafür aus, eine Platte zu machen. Alles im Leben wiederholt sich irgendwann mal. Es gibt Phasen, da ist Kreativität angesagt und manchmal läuft es eben eher schlecht. 'Come An' Get It' hat auch total Spaß gemacht. Wenn dich dieses Album zum Lächeln bringt, dann ist das eine phantastische Nachricht für mich. Andere lieben eine andere Platte."
      Was muß passieren, wenn die Ära DEEP PURPLE zu Ende geht?
      " Da gibt es zwei Dinge. Entweder die Leute wollen uns nicht mehr hören oder wir verlieren das Feuer, die Motivation. Im Moment sehe ich keine dieser beiden Situationen auch nur ansatzweise. Im Gegenteil - die Fans kommen vermehrt zu unseren Gigs. Und wir haben immer noch Spaß an der Musik. Jeder von uns weiß, daß wir mal aufhören werden. Dennoch genießen wir jeden Tag, der uns noch bleibt und sind gewillt, noch ein paar wundervolle Jahre gemeinsam zu verbringen."
      Du bist das einzige Bandmitglied, das nie durch einen anderen Musiker ersetzt
      worden ist. Ein Grund, ein bißchen stolz zu sein?

      "Außer DEEP PURPLE ist niemand an mir interessiert, haha! Ich weiß auch nicht. Es gibt eben nur bestimmte Orte, wo man sich zu Hause fühlt. Ich bin glücklich, in all den Jahren als einer DER Hardrock-Drummer angesehen worden zu sein, der Drummer von DEEP PURPLE eben. Vielleicht soll das einfach so sein..."

      Chris Grenzer

      Quelle: HEAVY 8/2003

      Okay, dies war alles in allem ein sehr gutes Interview, mit Antworten die ich schon lange haben wollte, super!
      Na dann, viel Spaß noch, mit DEEP PURPLE!

      Bye, Snakebite

      Deep, deeper.... deepest-purple... :thumbup:

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      Re: Interview mit IAN PAICE zu BANANAS, DEEP PURPLE und vielem mehr

      Lieber Snakebite, vielen Dank für die Arbeit und den Gedanken daran für uns dieses interessante Interview einzustellen. Es ist sehr aufschlußreich und zeigt einmal mehr,daß unsere Jungs noch lange nicht bereit sind aufzuhören.Sie wollen uns und wir wollen sie noch lange und das alleine zählt. viele Grüße Irene

      Re: Interview mit IAN PAICE zu BANANAS, DEEP PURPLE und vielem mehr

      Lieber Snakebite, liebe DP-Freunde, vielen Dank für dieses interessante Interview. Es wirkt absolut ehrlich und es lässt ein bisschen hinter die Kulissen blicken. Zu "Contact Lost", Steve Morse hat da wirklich großartiges geleistet, es ist wirklich gut, die Hintergründe zu wissen, er hat dieses traurige Ereignis wunderbar ausgedrückt. Dann zu dem Produzenten, Roger hatte sich früher echt aufgearbeitet und die meiste Zeit investieren müssen, während die anderen schon längst daheim waren. So konnte sich auch Roger nur auf seine Musik konzentrieren. Das Ergebnis: Eine wunderbare Scheibe, da Michael den Musikern viel Arbeit abnahm.... rogermäßige Grüße Evi Madame Butterfly
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