Die Wahrheit über Cherkazoo

      Die Wahrheit über Cherkazoo

      "Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf", heißt es im Volksmund. Recht hat er, denn mir ist im Schlaf geradezu Sensationelles widerfahren. Im Traum tauchte ich in die Gedankenwelt Ian Gillans anno 1974 ein, der gerade über eine endgültige Fassung des Musicals "Cherkazoo" nachdachte, wohlgemerkt über eine richtige Bühnenfassung. Leider konnte ich nur Fragmente über mitwirkende Künstler und ein noch etwas schwammiges Exposé über die Musical-Handlung in den Wachzustand hinüberretten, aber das ist meines Erachtens schon sensationell genug.

      Ursprünglich war ja ein Kinder-Musical angedacht, aber in der endgültigen Fassung sollte es ein Märchen für Erwachsene, nicht in jeder Szene jugendfrei, werden. Und der Ort der Handlung liegt deutlich östlich dessen, was wir "westliche Welt" nennen. Das wird schon in der leicht veränderten Eröffnungssequenz deutlich: "Come on out to Cherkazoo, in the Morningland".
      Cherkazoo sollte ein Sultanat vor vielen, vielen Jahrhunderten sein. Und wie es sich für ein solches Sultanat gehört, wurde es von einem überaus gestrengen Sultan, gespielt von Frank Zappa, regiert.

      Der Sultan hatte eine 'legitime' Ehefrau, die ihm auch den ersten Sohn, gespielt von Ian Gillan, schenkte. Im ersten Handlungsstrang geht es darum, dass der Kronprinz sich gemäß dem Willen des Vaters eine (erste) Frau sucht. Es werden also Kandidatinnen in den Palast eingeladen. Der Sultan allerdings bedingt sich, als wolle er seine Herrlichkeit noch einmal besonders ins Licht stellen, das "Recht der ersten Nacht" mit allen Kandidatinnen aus. Als am Ende nur noch zwei Kandidatinnen übrigbleiben (gespielt von Annie Haslam und Sonja Kristina) stellt sich genau dieser Sonderwunsch als Problem heraus. Denn die eine Kandidatin (Annie Haslam) verweigert dem Sultan diesen 'Dienst' mit dem Argument, sie sie sei gekommen, weil sie den Prinz liebe - für ihn wolle sie sich aufsparen. Aus "1001 Nacht" wissen wir, dass Sultane zu jener Zeit sehr schnell der Meinung zuneigten, Frauen, die nicht absolut botmäßig seien, seien genau einen Kopf zu groß. So denkt auch dieser Sultan. Also will er sofort zur Tat schreiten, aber sein Sohn, der bis zu dem Zeitpunkt eher als sehr folgsam galt, erwidert: "Du hast gewiss das Recht dazu, Vater, aber wisse, dass du damit deinen Sohn bis an sein Lebensende unglücklich machst". Der Sultan beugt sich mit einem Seufzer dem Wunsch seines Sohnes, lässt aber die Kandidatin in einen finsteren Kerker werfen.

      Hier beginnt der zweite Handlungsstrang. Neben seiner legitimen Ehefrau verfügt der Sultan zusätzlich noch über eine Reihe von Haremsdamen. Und seine Lieblingsharemsdame hat ihm auch einen Sohn geboren, kaum jünger als der Thronfolger, gespielt von Keith Moon. Dessen Berufswunsch ist zugleich sein größtes Problem, denn auch er möchte gern Sultan werden. Das Problem besteht darin, dass es in Cherkazoo für diesen Beruf nur eine einzige Planstelle gibt. Also sinnt er darüber nach, wie er vielleicht doch seinen Stiefbruder überflügeln kann. Dabei kommt ihm zugute, dass er von einem Plan seines Vaters erfährt, das im Sultanat überaus beliebte Bier als Teufelszeug verbieten zu lassen. Also versucht er, das Volk von Cherkazoo, gespielt von Monty Python & the Flying Circus, gegen den Sultan aufzuwiegeln. Selbstverständlich verfassen diese Künstler auch die Sketche dieser 'Revolte'.

      Es gibt indes auch noch einen besonders radikalen Gegner des Sultan-Erlasses, gespielt von Roger Glover, der sogar "Freibier für alle!" fordert. Und nun geschieht, was eigentlich nicht geschehen dürfte: Rein zufällig treffen die zwei gegensätzlichsten Menschen, die man sich überhaupt vorstellen kann, zusammen: der Kronprinz, den der Vater bis dahin in absoluter Alkoholabstinenz gehalten hat (auch deshalb ist diese Rolle Ian Gillan regelrecht auf den Leib geschneidert) und der Anhänger des Freibiers, der, natürlich rein zufällig gerade Bier dabei hat. Er fordert den Kronprinzen dazu auf, doch einmal von diesem edlen Getränk zu probieren und nach erheblichem Bedenken willigt der Kronprinz ein. Es entwickelt sich ein Zwiegesang, in dem der Kronprinz am Anfang ganz schlecht, mit jedem weiteren Bierschluck aber immer besser singt. Am Ende verspricht er, seinen Vater zu beknien, den Erlass niemals in Kraft treten zu lassen.

      Natürlich gibt es noch viele weitere Gesangsparts, unter anderem auch ein Duett von Frank Zappa und Sonja Kristina, in eindeutiger Pose unter einer Bettdecke liegend. Zwei Arien bilden das musikalische Zentrum des Musicals. Annie Haslam besingt mit bewegter Stimme im Kerker die Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren ist. Und schon gegen Ende des Musicals besingt Ian Gillan seine wahrhaft schwere Entscheidung zwischen den beiden Kandidatinnen. Er wägt die Vorzüge der einen immer wieder gegen die Vorzüge der anderen Kandidatin ab - und kommt am Ende natürlich zu einem Ergebnis.

      Und natürlich gibt es ein Happy End: Ian Gillan heiratet Annie Haslam (Keith Moon bekommt immerhin Sonja Kristina). Da der Vater amtsmüde ist, übernimmt Ian Gillan am Tage der Hochzeit auch gleich die Sultanswürde. Es gibt drei Tage lang Freibier für alle und hernach darf Roger Glover, vom neuen Sultan zum Bierminister ernannt, dafür sorgen, dass die Bierpreise niedrig bleiben und jeder Bürger von Cherkazoo sich dieses edle Getränk leisten kann.

      So weit das, was ich von meinem Traum behalten habe. Es ist schade, dass Ian Gillan dieses Projekt dann nicht mehr weiter verfolgt hat und es ist auch schade, dass er seine eigenen Gedanken nicht weiter offenbart hat. Dieses Exposé ist nur ein schwacher Trost. Rock on! nainallig