Zeitungs-Interview mit Ritchie Blackmore über Rainbow und BN

      Zeitungs-Interview mit Ritchie Blackmore über Rainbow und BN

      Mr. Blackmore, es heißt, Sie mögen deutschen Schlager. Stimmt das? Und was gefällt Ihnen daran?

      Ritchie: Die Unschuld. Der deutsche Schlager hat etwas Befreiendes. In amerikanischer Musik gibt es diese Unschuld nicht. Entweder ist es Hip-Hop oder Country. In der Country-Szene findet man die besten Gitarristen der Welt, Schlager hingegen ist eine sehr simple, nostalgische und pure Musik. Man muss dabei nicht viel nachdenken. Ich schaue mir manchmal die deutsche Unterhaltungssendung „Fernsehgarten“ an, weil sie so wohltuend ist. Vielleicht ist sie ja gar nicht so unschuldig wie sie tut, aber auf mich wirkt sie so. Rockmusik hingegen klingt oft sehr verkrampft und nervös. Viele Musiker stolzieren affektiert auf der Bühne herum und spielen so schnell wie möglich.

      Haben Sie sich also auch beim Songschreiben für Deep Purple und Rainbow von deutschen Schlagern inspirieren lassen?

      Ritchie: Ja, und zwar immer dann, wenn ich nach einer simplen Melodie suchte. Die Musik der Beatles und der Kinks in den 60ern war auch einfach. Wie Schlager. Die Refrains kann man leicht mitsingen. Deshalb habe ich das Riff von „Smoke on the Water“ so einfach wie möglich gemacht.

      Wo Sie es gerade selbst erwähnen: Wie kamen Sie auf das Riff von „Smoke on the Water“?

      Ritchie: Ich wollte nur vier Noten verwenden, denn jeder Briefträger sollte das Riff mitpfeifen können. Offensichtlich hat es funktioniert. Wie bei Beethovens fünfter Sinfonie. Die meisten kennen die andere brilliante Musik, die er geschrieben hat, gar nicht, aber jeder kennt diese vier Noten. Ich habe mir Beethovens Meisterstück ganz bewusst angehört und mir etwas Einfaches überlegt. Ian Paice hat dazu Schlagzeug gespielt. Und dann kam dieses Riff zu mir, das heute jeder kennt.

      1964 lebten Sie eine Weile in Hamburg und spielten mit einer deutschen Band. Welche Musik haben Sie damals gespielt?

      Ritchie: Ich habe mit einigen deutschen Bands gespielt, aber alles, was sie wollten, war, die Rolling Stones zu covern. Das war schwierig für mich, weil ich keine Lust hatte, die Soli von Keith Richards zu kopieren. Das hatte aber nichts mit Respektlosigkeit zu tun. Damals wollte einfach jeder die Songs der Stones nachspielen, weil das Publikum nichts anderes hören wollte.

      Inzwischen leben Sie seit vielen Jahren auf Long Island, einer Insel im Bundesstaat New York. Ist ihr Haus ein inspirierender Ort?

      Ritchie: Als wir dort einzogen, war es ein ganz normales Haus an der Küste von Long Island. Aber wir haben den gesamten Innenbereich umbauen lassen. Jetzt hängen überall Wandteppiche und Kronleuchter; die Türen sind aus Gusseisen. Viele Assessoires im Haus stammen von unseren Reisen. Wir leben in keinem Schloss, aber es wirkt ein bisschen so. Naheliegend, dass es im Keller eine Bar im deutschen Stil gibt, wo wir deutsches Bier trinken. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich Wasser. Und hinterm Haus ist ein Wald. Eine sehr entspannte und kreative Atmosphäre.

      Im Sommer spielen Sie wieder mittelalterliche Klänge in alten Theatern, Schlössern und Burgen. Wie innovativ ist die Musik von Blackmore’s Night in Ihren Augen?

      Ritchie: Innovation in der Musik ist etwas sehr Subjektives. Als Musiker weiß man nie, ob man gerade etwas gänzlich Neues kreiert oder etwas Altes aufgefrischt hat. Das entscheidet immer der Hörer. Ich mache Musik vor allem für mich selbst, und wenn die Leute sie mögen, bin ich glücklich. Wie sie sie nicht mögen, bin ich es übrigens auch. Wie meine Musik klingt, hängt immer von meiner jeweiligen Gemütsverfassung ab. Ich habe überhaupt keine Vorstellung davon, wohin sich meine Musik entwickelt. Ich lasse sie einfach passieren.

      Ihr Beruf besteht zu einem großen Teil aus Reisen. Gefällt Ihnen das nach über 30 Jahren noch?

      Ritchie: Wenn ich reise, möchte ich umstandslos von A nach B kommen. Aber wenn man hier in Amerika einen Flug bucht, weiß man nie, ob man am Ziel ankommt oder die Nacht auf dem Flughafen verbringt. Flugreisen sind heutzutage sehr anstrengend. Wenn wir in Europa touren, reisen wir immer bequem mit dem Auto. Deutschland, Österreich und die Schweiz sind nicht nur sehr gut organisierte Länder, sie haben auch die besten Komponisten der letzten 400 Jahre hervorgebracht. Ich liebe es, die Natur und die historischen Stätten zu betrachten.

      Der neue Sänger bei Rainbow heißt Ronnie Romero, ist Chilene und in der Rockwelt ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Wie sind Sie auf Ihn gekommen?

      Ritchie: Er hat eine aufregende Stimme. Und er besitzt die Fähigkeit, andere Sänger wie Freddie Mercury oder Ronnie James Dio nachzuahmen. Als ich seine Stimme das erste Mal hörte, erinnerte sie mich an die frühen Rainbow. Es waren nostalgische Gefühle, die Rainbow wieder haben aufleben lassen. Also stellte ich eine Setlist mit Songs zusammen, die Ronnie Dio einst gesungen hat. Ich weiß, dass viele Rainbow-Fans in Europa diese Phase am meisten mögen.

      Sind Sie der akustischen Gitarre langsam wieder überdrüssig?

      Ritchie: Nein, nach 20 Jahren habe ich mich so richtig an sie gewöhnt und finde es sehr komfortabel, vor Publikum auf ihr zu spielen. Wenn ich zuhause bin, spielen ich den ganzen Tag auf der Akustikgitarre – Fingerpicking mit langen Fingernägeln. Wenn ich mit Rainbow auf Tour bin, muss ich mir immer ziemlich den Arsch aufreißen, um die E-Gitarre mit kurzen Fingernägeln und einem Plektrum spielen zu können.

      Dieses Jahr spielen Sie ja fast direkt nacheinander eine Tour mit Rainbow und eine mit Blackmore’s Night. Wie wollen Sie das dann bewerkstelligen?

      Ritchie: Indem ich mir die Nägel innerhalb von einer Woche wachsen lasse. Das wird aber wohl nicht funktionieren. Also muss ich mir falsche Nägel ankleben. Das ist der schwierigste Part neben dem Erlernen der Setlist. Mit Rainbow spiele ich ja nur einmal im Jahr, weshalb ich mir die Songs jedes Mal neu draufschaffen muss. Das lässt mein Gehirn Amok laufen.

      Angeblich haben Sie mit Romero ein paar Rainbow-Klassiker neu aufgenommen. Welche denn?

      Ritchie: „Black Sheep of the Family“, „Waiting for a Sign“ und „The Storm“. Letzterer ist ein alter Song von Blackmore’s Night, den ich mit meiner Strat und lauten Amps neu eingespielt habe. Herausgekommen ist ein völlig neues Musikstück – sehr schneller Heavy Rock. „Black Sheep of the Family“ war übrigens der erste Titel, den ich nach meinem Ausscheiden bei Deep Purple mit Ronnie James Dio aufgenommen habe. Ronnie Romero singt ihn jetzt auf brilliante Weise, wobei wir einige Teile verändert haben. ELO-Cellist Hugh McDowell hat uns damals bei dem Song geholfen.

      Wird es denn ein neues Rainbow-Album geben?

      Ritchie: Heutzutage geht man nicht mehr ins Studio, um lange Platten zu machen. Wir hauen jetzt erst mal diese drei Titel raus. Ich finde; es wird viel zu viel Musik veröffentlicht. Aber um Weihnachten herum wird es vielleicht ein ganzes Album mit neuen Songs von Rainbow geben. Die Shows, die wir dieses Jahr spielen, sind jedoch reine Nostalgie-Veranstaltungen. Manchmal habe ich einfach Spaß daran zurückzuschauen. Ich möchte aber nichts permanent wieder aufwärmen, sondern lieber flexibel bleiben und mit Rainbow nur hin und wieder auftreten.

      Ich habe kürzlich gelesen, dass Sie Arthritis in den Fingern haben. Wie schlimm ist es? Und wie gehen Sie damit um?

      Ritchie: Meine Arthritis ist hauptsächlich im Rücken, und einer der Finger an meiner linken Hand funktioniert nicht mehr so, wie er sollte. Aber ich spiele einfach weiter. Django Reinhardt hat mit nur zwei Fingern gespielt grandios Gitarre gespielt. Da sollte ich es doch schaffen, mit dreien zu spielen. Das ist eines der großen Themen bei meiner diesjährigen Tour mit Rainbow. Ich bekomme regelmäßig schmerzstillende Spritzen in den Rücken. Ich kann mit Rainbow nur dann auftreten, wenn ich schmerzfrei bin. Damit mache ich es meinen Konzertagenturen nicht gerade leicht. Das ist einer der Gründe, weshalb ich mit Rainbow nur so selten spiele. Mit einer schweren Stratocaster-Gitarre den ganzen Abend auf einer Bühne zu stehen ist sehr anstrengend. Voriges Jahr in Prag konnte ich keine Zugabe spielen, weil ich so starke Schmerzen hatte. Aber wir haben alle unsere Probleme.

      Was machen Sie kurz vor einem Konzert? Wie wärmen Sie sich auf?

      Ritchie: Ich improvisiere ein bisschen auf der Gitarre und spiele ein paar Skalen in der Garderobe. Wenn ich Schmerzen habe, trinke ich einen Schluck Whiskey. Und ich meditiere. Das lässt mich schweben.