Alben, die (vielleicht) keine Sternstunde waren - Stormbringer

      Alben, die (vielleicht) keine Sternstunde waren - Stormbringer

      Die längst überfällige Fortsetzung von nainalligs Thread zum Thema „Alben, die (vielleicht) keine Sternstunde waren“, ich poste das mal bewusst in einem neuen Thread, denn so bleibt das die Abteilung für Stormbringer.

      Das Album beginnt eigentlich ziemlich unspektakulär, nicht dass Stormbringer als Song lahm oder so wäre, aber für ein Deep Purple Album ist das kein ungewöhnlicher Einsteig. Ein Blackmore-Riff, ein sehr gutes sogar, eine fette Orgel und dann 4 Minuten geradliniger Hardrock. Coverdale und Hughes ackern sich ab, aber sie haben meiner Meinung nach nicht das Gespür für wirklich fesselnde Gesangslinien. Deshalb kommt immer mal wieder der Wunsch hoch, man hätte Gillan die Gesangslinie schreiben lassen. Das ist ein Problem dass ich eigentlich immer habe, wenn der instrumentale Unterbau sehr klassisch Purple-mäßig „(Mk II –ig“) ist. Unterm Strich aber ein gelungener Einstieg mit einem recht gelungenen Song.
      Track Nummer 2, Love Don’t Mean A Thing, hätte man erstmal nicht als Deep Purple erkannt, irgendwie fühle ich mich an eine Südstaaten-Band mit funkigen Einflüssen erinnert, insbesondere durch die Bassline von Glenn. Auch der Chorus mit seinen Background-Sängerinnen geht stark in die Richtung, Coverdale singt sehr „amerikanisch“, sehr intensiv und bluesig, so wie er es am Besten kann. Das selbstverständlich grandiose Solo von Jon Lord bringt das purpurne Weltbild wieder etwas in Ordnung, aber insgesamt bleibt der Song doch sehr untypisch und das macht ihn wunderbar. Die wahre Stärke von Mk III lag nie darin, wie Mk II zu klingen, sondern in genau solchen Songs, die nicht zwanghaft nach Deep Purple klingen müssen.
      Holy Man, einer meiner Favoriten. Gäbe man den Song einem Joe Bonamassa, würde es keinem auffallen, hier handelt es sich um eine wunderschöne Blues-Halbballade, die von ganz hervorragender Gitarrenarbeit des Herrn Blackmore getragen wird. Die Slide-Licks in den Strophen und sein Solo sind wirklich ganz ausgezeichnet und gehören zu seinen Sternstunden auf diesem Album. Man hört dem Song an, dass Jon Lord beteiligt war, denn das gute Songwriting mit den ausgeklügelten Harmonien ist definitiv eine Keyboard-Kreation und deshalb fügen sich hier die Orgel und der Synthesizer besonders gut ein.
      Der nächste Song beginnt sehr 70ies-like und erinnert mich stellenweise an Steely Dan, sehr funkig und sehr groovig. Der Groove ist vielleicht das einzige Merkmal, das auf die Urheberschaft von Deep Purple hindeutet, denn sonst ist Hold On erschreckend ungewöhnlich. Die Gitarre ist außerhalb des Solos kaum vorhanden und die Backgroundsängerinnen tun ihr Übriges um den Song einen ganz eigenen Charm zu geben. Ich bin sehr angetan von diesem Stück und habe so langsam richtig meinen Spass mit dem Album.
      Um diese modischen Spinnereien mal wieder zu beenden um den abgedrifteten Hörer auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, heizt Lady Double Dealer mit einem gaanz ganz reinrassigen Blackmore-Riff gehörig ein. Die Gitarre dominiert, die Orgel kommt nicht aus dem Leslie sondern aus dem Marshall und die Backgroundsängerinnen scheinen die Flucht ergriffen zu haben. Alle Zutaten für eine Arbeit nach Plan, die dann aber auch nicht besonders sehr kreativ gerät. Das Riff ist so typisch, dass man das Gefühl nicht los wird, es schon zig mal irgendwo gehört haben, einzig der Chorus lockert den arg festgefrorenen Acker ein wenig auf und setzt die Linie der drei Vorgängerstücke fort. Lady Double Dealer ist nicht schlecht, aber auch nicht der große Wurf und deshalb keine Sternstunde des Albums.
      You Can’t Do It Right, ist die Brücke zurück in die Albumlinie und scheint eines der wenigen Gemeinschaftswerke der Platte zu sein, denn hier sind sowohl der Blackmore- als auch der Coverdale-/Hughes-Einfluss zu spüren. Ein bisschen zusammengewürfelt wirkt das Stück dann schon, aber die Band greift auf ein bewährtes Rezept zurück, gerade als das Konstrukt droht auseinanderzufallen wird ein ordnender Solospot für Jon Lord freigeräumt. Diese Passage ist wie immer hervorragend und gehört mit dem Riff zu den besseren Bestandteilen des Songs, am Rest hapert’s aber leider. Vielleicht ist es die Gesangslinie von Coverdale und Hughes die mich stört, ich kann es nicht genau sagen, aber auch dieser Song ist trotz guter Ideen nicht die hellste Leuchte im Lampenladen.
      Die Machart setzt sich fort, auch der High Ball Shooter basiert auf einem ganz anständigen Blackmore-Riff, einem schönen Lord-Solo, viel durcheinander und einer nervigen Linie von Coverdale und Hughes. Das Lied erinnert mich ein bisschen an I’m Alone, der B-Side aus Fireball-Zeiten, kein Fisch, kein Fleisch. Ein nettes Riff, ein hyperaktiver, sprunghafter Vers und ein langweiliger Chorus mit seltsamen Übergängen reichen halt nicht, um den Song in Erinnerung zu behalten, ich hab das Lied als eines der ganz wenigen nicht im Ohr, wenn ich den Namen höre. Mehr fällt mir dazu nicht ein, ein purpurner Füller, wie es sie einige gibt.
      Drei schwache Songs hintereinander erfordern ein sehr starkes Versöhnungsstück und das gibt’s mit The Gypsy eindeutig. Ein Riff zum Niederknien, mit einer schönen Orgel und einer gelungenen Gesangsmelodie. Keine Mk-II-Erinnerungskultur, sondern Mk III Pur. Eindeutig Deep Purple aber kein Abwasch älterer Meisterwerke, sondern eine neue Mischung. Keyboardlastiger mit einem funkigen Bass und schönen Breaks im Rhythmus, das ist Mk III wie ich es am liebsten mag. Jon Lord hat sich wieder hörbar beim Songwriting eingebracht, keine einfachen Harmonien, stattdessen erweiterete Akkorde und Verzierungen, das kann ein Lied zu etwas ganz Besonderen machen. Hier haben wir die Sternstunde auf die ich gewartet habe.
      Soldier Of Fortune erinnert mich an April und Mk I, Coverdale klingt nach Evans und Blackmore spielt im Stil der ersten drei Alben. Der Vers plätschert so vor sich hin, aber der Prechorus ist sein Geld durchaus wert. Ich weiß nicht so recht, ich bin sehr gespalten was den Song angeht. Es gibt einige hervorragende Passagen, die bei mir Gänsehaut auslösen, aber leider auch viel Mittelmaß. Das zweite Stairway To Heaven ist das meiner Meinung nach nicht, als schönes Ende für das Albums taugt Soldier Of Fortune aber allemal.
      Fazit:
      Die landläufige Meinung ist, dass Burn das Meisterwerk von Mk III ist und Stormbringer der Reinfall, der außer dem Titelsong und Soldier Of Fortune nichts zu bieten hat. Meine Meinung ist gegenteilig, Burn finde ich langweilig und mittelmäßig. Gute Instrumentalarbeit trifft auf unkreative Gesangslinien, bei denen ich Gillan wirklich vermisse. Stormbringer hingegen ist sicherlich nicht das perfekte Album, aber es zeigt eine neue Facette von Deep Purple und die ist bis auf den Titelsong losgelöst von Mk II. Hier liegt die wahre Stärke von Mk III, schöne bluesrockige Stücke, mit Souleinflüssen und gefühlvollen Soli. Stormbringer ist von den drei Coverdale/Hughes-Werken mein Favorit und ich finde, das Album wird ein bisschen zu Unrecht gescholten, klare Hörempfehlung.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „joni02“ ()

      Man merkt, Jonas, dass Du selbst Musiker bist. Das macht diese Kritik für mich besonders spannend, denn leider kann ich Gitarre nur im "Schrumschrum-Modus" spielen - und mein Gesang erfreut mein Badezimmer (und einen befreundeten sehr musikalischen Pastor, dem ich mal meine Plattdeutsch-Version von "Smoke on the Water" ("Spoß op'n Woter") vorgesungen habe).

      Was das Sympathie-Ranking von "Burn" und "Stormbringer" betrifft, tickt meine Uhr genau andersherum. Das hängt bei mir allerdings maßgeblich mit meinen Erlebnissen mit "Demon's Eye" zusammen. "Mistreated" gehört stets zu den absoluten Höhepunkten ihrer Live-Performances, auch "Burn" wird von ihnen immer extrem gut interpretiert. Natürlich performen die DE-Musiker auch "Soldier of Fortune" ganz hervorragend. Da ich seit jeher so ein Balladen-Heini bin, handelt es sich dabei ohnehin um meinen Lieblingssong von "Stormbringer". Und ich gebe auch gern zu, dass DE in den letzten Jahren meine Sympathie-Hierarchien in Sachen DP-Musik maßgeblich mitbestimmt haben und immer noch mitbestimmen.

      Aber Deine Album-Kritik, Jonas, wird mich noch besonders beschäftigen, weil sie mir die Chance eröffnet, die betreffenden Alben noch einmal mit einem erweiterten Horizont zu hören. Dafür vielen Dank! Rock on! nainallig
      Hallo Jonas,
      deine Kritik deckt sich im großen und Ganzen auch mit meinen Eindrücken.
      Der Song Stormbringer kommt live natürlich völlig anders als auf dem Studioalbum daher. Graz !. Super Aufnahme !

      Love don´t mean a thing ist der einzige Song von Deep Purple mit dem ich nichts anfangen kann..... Das Teil hat mir von Anfang an nicht gefallen.

      Gruss Hans-Jürgen