Blackmore´s Geheimnis: Showmanship

      Blackmore´s Geheimnis: Showmanship

      Liebe Blackmorians,

      heute ist der Pool verwaist, weil´s regnet, und damit auch dieser von nur noch wenigen Urlaubstagen in Europa Spaß macht, muß des Autors Lieblingsplatte ihre Runden eben in der kleinen plauschigen Hotellobby drehen - eigentlich sind´s ja zwei, nämlich meine Original-DoLP "On Stage", nach 30 Jahren noch immer erstaunlich kratzerfrei, trotz der vielen Reisen und tausendmaligen Abspielens, und, noch erstaunlicher, dies jetzt in einer portugiesischen Hotelanlage, wo´s doch tatsächlich noch einen richtigen echten Plattenspieler gibt. (Und nur sehr wenige Rainbow-Fans, eigentlich gar keine, wie ich an den Gesichtern um mich herum sehen kann.) Etwas leiser? Schade, aber okay.

      Die ersten Noten aber, die ich je von Blackmore gehört habe, kamen 1973 aus dem Radio, eingequetscht zwischen Suzie Quatro ("Can The Can" - kennt das noch jemand?) und Tony Christie ("Amarillo"); so breitgefächert war mal das Verständnis von Rockmusik in der Bundesrepublik. Diese meinen ersten Blackmore-Noten stammten, wie zu erwarten, von "Smoke On The Water", allerdings der Live-Version; der gute DJ hatte brav die B-Seite der Single aufgelegt. Soll heißen: Meine Sozialisation mit Deep Purple fand mit dem besten Blackmore statt, den es gab und gibt, nämlich dem Live-haftigen, dem Bühnenmann, dem Gitarristen mit der - meiner unbedeutenden Meinung nach - ausdrucksstärksten Showmanship.

      Was das ist, Showmanship? Nun, sehen konnte ich IHN zwar nicht durchs Radio,hätte auch nicht gewußt, wer das war. Aber gespürt hat er was, der damals Elfjährige (ohne es sich freilich wie folgt erklären zu können): hypnotisch klang das, absolut laid back, was da aus dem "Universum"/Quelle-Transistor mit der ellenlangen Antenne klang - durrh-durrh-durrh, derart arrogant gespielt, weil so unverschämt gelassen, wie ich es später (auch nicht von Ritchie selbst) nie mehr gehört habe, schon gar nicht auf nur einer der 10.000-Coverversionen: h e a v y!

      Doch selbst diese vorpubertäre Rock-Initiation meiner Selbst war noch nichts gegen die Empfindungen, die mich beim Betrachten erster Bewegtbilder von Purple und ihrem "Banjospieler" (Ian Paice) packten. Da stand eben kein Hero of the low-hanging guitar gelangweilt herum und spielte sein Zeugs runter (wie heute eine Myriade von Guitar kids), sondern das Männchen links-außen, der mit der Lockenmatte, und dem Steckbrief-Gesicht, der fegte umher, spielte nicht nur auf, sondern m i t seiner Gitarre, ließ die lieben Kollegen wie Statisten aussehen. Darf der das?

      Mehr noch: Der Mann litt, jubilierte, lachte kurz, kämpfte lang, verbiß sich geradezu, grollte und umzärtelte seine Noten, und soviel Wunderbares hatte der kleine Fitzelsender Radio Bremen an irgendeinem Nachmittag, an irgendeinem Sonntag anno 1975 als Wiederholung laufen: "No, No, No" und die (wie ich Jahrzehnte später erfuhr) Ur-Version von "Highway Star", bei der Ian Gillan noch am Text herumimprovisierte: h e a v y !

      Und dann, mit siebzehn, endlich die ersten richtigen Konzerte. Am Mikro: mal Bonnet, dann Turner, dann Gillan, aber der Gitarrero war jedesmal: ER. Erst da wurde mir klar, was neben Virtuosität (haben andere auch) und tollem Songmaterial (haben andere auch) die Faszination echter Rockgrößen ausmacht: nämlich Showmanship (haben die meisten nicht), soll heißen: die Selbstdarstellung auf der Bühne.

      Die hat Blackmore freilich nicht geschenkt gekriegt, sondern sich erarbeitet, in den Clubs auf der Reeperbahn, als 17-/18jähriger, als Begleitmusiker von Showfanatikern wie Screaming Lord Sutch, Jerry Lee Lewis und Gene Vincent - das nenne ich wahres Studium, von wegen "Pop-Akademie" oder gar "Deutschland sucht..."! Die jahrelange Vorbereitungszeit in Clubs, kleinen Sälen und mittelgroßen Hallen, ob du nun Schnupfen hast, Bauchgrimmen, Liebeskummer oder einen breitgesoffenen Kopf, was da durch den Filter läuft und am Ende rauskommt, ist entweder Caro-Malzkaffee oder Espresso. Bei Blackmore war´s intravenös verabreichtes Koffein.

      20 Jahre später kann ich mir nun nahezu jede Live-Regung Ritchies bei YouTube ansehen, die erstaunlichsten Clips stehen im Internet. Und da ist nun auch das letzte Geheimnis zu ergründen: die Gefühlswelt eines launischen, ewig unsicheren, arroganten, aber letztlich großartigen Musikers; wie auf einer Landkarte geht´s zu in diesem Gesicht (ich sage nur: Donington), und spätestens jetzt ist alles klar: So muß es zugehen in der eigenen Gefühlswelt, damit elfjährige Jungs am Radio es erstmals kribbeln spüren, noch ehe sie überhaupt den ersten Zeh in die Mädchenwelt setzen.

      Guckt Euch bloß die tollen "Rockpalast"-Clips von Rory Gallagher an, die - leider weitaus gelackteren - David-Gilmour-Videos, den frühen Mark Knopfler oder sogar Gary Moore (in der "Victims of the Future"-Phase) - die leb(t)en, was sie spiel(t)en, die litten und jubilierten im Stehen, zwei Stunden pro Abend, komprimiertes Empfinden und keine Angst vorm Sau-rauslassen - aber mach´ das mal einem der karrierebewußten Sechsaiter mit Geburtsjahr 1990 aufwärts klar.

      Alt bin ich geworden, zumindest älter, ich spür´s. Das Radio spielt längst kein "Smoke" mehr, weder Studio- noch Live-Fassung. Statt der Sehnsucht, Blackmore könnte nochmal mit Gillan & Co. auf Welttournee gehen und die alten Tage beschwören, bescheide ich mich, was SEINE Bühnenshow betrifft, bescheide mich mit Erinnerungen an die großen Tage (bzw. Nächte): Dabeigewesen sein ist eben doch alles, danke also für die Musik, danke für die Offenlegung von soviel Eleganz und Gewaltätigkeit, danke für das Staccato in meinem Hirn: h-e-a-v-y!

      Wenn jetzt demnächst die Hochzeitsglocken klingen und Candice endlich Frau Blackmore wird ("Blackmore´s Blackmore" muß BN ja wohl in Zukunft heißen), wenn also Candice sich so kurz vor ihrem 40. Lebensjahr den ersehnten Mutterfreuden hingegeben wird (eine Tochter, tippe/hoffe ich, doch Carole Stevens wird verhindern, daß sie Agnetha heißt), wenn nun für einige Zeit Schluß sein wird mit Renaissance-Folk (warum wurde dieses Jahr wohl nicht auf Burgen, sondern ausschließlich in Hallen gespielt?), wenn wieder mal ein neues Zeitfenster aufgeht in Blackmores fast 50jähriger Karriere - dann lehne ich mich in meinem herrlich altmodischen Pool-/Plattenspieler-/Internetanschluß-Hotel bequem im Sessel zurück und stelle mir folgende Fragen in Stichpunkten: What´s next? Rückkehr zum Blues? Endlich, endlich mehr Instrumentals? Oder Purple-Rainbow revisited, Stratocaster/Lakewood, fifty-fifty?

      Eins ist klar: Ein 63jähriger, spekulationshalber angehender Spätvater (kann es doch in der Kristallkugel deutlich sehen!) braucht mir keine Donnermusik mehr spielen, braucht sich für mich nicht mehr auf der Bühne zu wälzen und vor meinen Augen Strat-Kopien zu zerdeppern. Aber was nun noch kommt, in Blackmores Spätwerk, bevor´s auch für ihn auf die viel zu lange Reise geht und wir unseren Enkeln nimmermüde die Legende vom Schwarzen Mann aus dem Rauch erzählen, oh Mann, das interessiert den auch nicht jünger gewordenen Elfjährigen wie Bolle.

      "Still I´m Sad" ist gleich zuende, sorry!

      Es grüßt Euch herzlich

      Euer Rock-Fox
      "Encore one more time - for the ghosts of the past in your mind"
      Hi Fox, ich weiß genau, das ich keinen zwillingsbruder habe, aber langsam bin ich mir nicht mehr so sicher. Wir beide, obwohl wir uns nicht kennen schweben auf der gleichen Wolke, die den Namen Ritchie B. trägt. Auch ich bin von diesem Mann seit 1972 völlig meiner Seele beraubt, seit ich ihn damals sehen, bzw. auch hören durfte. Nach dem in damaliger Zeit nur einmal in Jahr stattfindenden Konzert bekam ich ständig dieses Gefühl, daß mir jemand was weggenommen hat, wenn das Hallenlicht wieder anging und ne Bühne mit Massenhaft Technik vor mir stand. All die Jahre, wo ich Ritchie bewohnte ging es mir so, auch in der heutigen Zeit. Der Mann schafft es, einen Gitarrenschüler, wie wir eben alle sind, sowas von in seinen Bann zu ziehen, daß man ein Leben lang diesen einen Musiker als seinen Gott ansieht. Ich habe auch viele Gitarristen gesehen, Rory Gallagher z.B. den ich immer noch verehre.
      Aber an einen R.B. kommt und kam niemand heran. Hoffentlich bleibt er uns noch lange erhalten, denn wenn auch er irgendwann mal die Reise antritt, die schon so viele vor ihm, werde ich keine Gitarre mehr spielen können, ohne sein Bild auf dem Notenpult liegen zu haben.
      Long live Ritchie Blackmore.
      ,,,d(^L^)b,,,

      - - - D a n k e - - -

      Hallo Fox,
      Du bist eine absolute Bereicherung für unser kleines Forum. :res:

      Du sprichst mir aus der Seele. Nur dass sie es nicht vermag, sich so auszurdrücken.
      Bitte, bleib' das Sprachrohr meiner Seele.


      ... ja und wenn Du diese Showmanship noch einmal erleben möchtest, dann besuche kurzfristig ein - Demon's Eye Konzert.
      In deren Gitarristen Mark Zyk lebt der Blackmore der frühen 70er/80er....

      Demon's Eye
      und
      Demon's Eyes - My Space

      Tourdaten:

      Fr 19. Sept. 2008 Hamburg, Downtown Bluesclub
      Sa 20. Sept. 2008 Bremen, Meisenfrei

      Sa 18. Okt. 2008 93128 Regenstauf (Jahnstr. 6), Jahnhalle, Supercover-Festival
      Snakehunter (Whitesnake Tribute), Demon`s Eye & AC/DX (AC/CD Tribute)
      Fr 24. Okt. 2008 37339 Worbis (Untertor 1 ), Fabrik
      Sa 25. Okt. 2008 64653 Lorsch (Hirschstraße 1), Musiktheater Rex
      Fr 31. Okt. 2008 26506 Norddeich (Deichstr. 10), Meta`s Musikschuppen
      Sa 1. Nov. 2008 26954 Nordenham, Jahnhalle
      Fr 07. Nov. 2008 53913 Swisttal-Heimerzheim (bei Bonn), Aula Hauptschule/ Realschule Heimerzheim (Blütenweg) Benefizkonzert des Rot-Weiß Dünstekoven
      Sa 08. Nov. 2008 26419 Schortens/Grafschaft, Fair Cafe
      Sa 29. Nov. 2008 Hannover-Isernhagen, Bluesgarage*


      Das soll jetzt (nicht nur) Werbung für die DP-Cover Band sein, sondern auch gleichzeitig ein kleiner Tipp für einen Blackmore Fan wie Dich, FOX.

      Nochmals Danke

      Kalle



      Sweet CHILD IN TIME....
      see the blind man shooting at the world...