Blackmore und Carole Stevens

      Blackmore und Carole Stevens

      Liebe Blackmorians,

      seit Tagen stürzen die Börsen ins Bodenlose, die Milliardärsfamilien Porsche und Piech bekämpfen einander aufs Blut um die Vorherrschaft über 350.000 VW-Angestellten, und meinereins verplempert sein bißchen Jahresurlaub von der Bohrinsel mit Surfen in einem Forum, das doch bloß eine in jeder Hinsicht längst historische Rockband zum Gegenstand hat - spinne ich?

      Aber was könnte ich schon Besseres tun, als in meiner nun wirklich knappen Freizeit in jener Ära zu schwelgen, in der Vollidioten noch sofort als eben solche erkennbar waren und jegliche Art von Niederträchtigkeit noch von Menschen begangen wurden, bei denes es tatsächlich zum Berufsverbrecher, und nicht nur zum ewigen Anfänger reichte? Ihr und ich, was wären wir ohne Rock-Reservate und Nostalgie-Biotope wie dieses?

      Beiträge in diesem Forum zu schreiben ist deshalb ein bißchen wie Trapper sein im ausgehenden Wilden Westen, so um 1890 herum.

      Kurz vor Sonnenuntergang, irgendwo in der endlosen Prärie. Der Trapper kommt an ein offenbar von Kollegen umsessenes Lagerfeuer und frägt kurz, ob´s recht sei? Aber selbstverständlich ist es das, nur hat bitte ein jeder dahergerittener Trapper und Bruder/Schwester im Geiste auch was mitzubringen, schließlich kreist die Flasche nicht umsonst. Darum läßt auch unser Mann sich nicht lange bitten und packt aus: Dies und das und halt, auch jenes noch hat er erlebt, damals mit Winnetou, neulich mit Cochise, demnächst mit Patronimo, so wahr er das Land durchstreife, mit diesen Maultieren da und seinem herrlichen Appaloosa-Hengst!

      Hey, will einer wissen, wie war das damals eigentlich mit Old Blacker und seiner Squaw? Erzählt nur immer frei weg von der Leber, Meister Fuchs! Und Meister Fuchs erzählt...

      Wer in Sachen Blackmore´s Night Candice sage, beginnt der alte Trapper aus seiner Rocktasche zu plaudern, der müsse auch Carole sagen; wer Mr. Blackmore meine, könne unmöglich Mrs. Stevens vergessen - wahrlich unvergeßlich ist jede Begegnung mit dieser Frau.

      Was nämlich ich, der Fuchs, hier in diversen Beiträgen lese (und mitleide, glaubt es nur), hat sich bei so manchem von Euch ein Bild von dieser Dame herausgebildet, das dem von Madam Mim (s. Donald Duck) nicht unähnlich ist. Oder dem von Sharon Osbourne. Oder, griechisches Altertum, dem von Xanthippe, vulgo: Miststück, Drache, Hexe. Carole Stevens ist: Ritchie Blackmore als Frau (minus Stratocaster, natürlich). Sie ist: bitchy and edgy, awful and painful, a pain the arse, but!

      Nach bislang drei intensiven Begegnungen mit Carole sage ich: Ritchie und sie - da haben sich zwei gefunden! Der eine, der Engländer, ist schon sein Lebtag auf der Flucht vor seinem (längst toten) Vater, dem mit der stets viel zu lockeren Hand. (Ihr kennt alle die Geschichte, wie Ritchie zu seiner ersten Gitarre kam.) Von Mama Blackmore hört man gleich gar nichts; das ganze weite Internet hat nicht eine Zeile ihrer Charakterisierung, wenigstens ihren VORNAMEN parat, so wenig äußert sich Ritchie in über 40 Jahren über Ma Blacker, wo doch sonst jede dahergeporschte Mutter (Sarah) Connor und jeder gedaimlerte Vater (Heidi )Klum ausgeforscht wird bis zum Bauchnabel und wenn möglich, noch darunter. Shut up and play your guitar...

      1962 - mit siebzehn hatte man damals noch Träume, selbst wenn´s nur Alpträume waren, denen ein stockkonservativ gehaltener Siebzehnjähriger aus dem Provinzkaff Weston-Supermare nur dadurch entkam, indem er sich, ausgerechnet, aufmachte nach Hamburg, welches keine 20 Jahre zuvor von seinen lieben Landsleuten (und seinem PAPA) in Schutt und Asche gelegt worden war, soll heißen: Herzlich willkommen, lütter Jung, du blasser, maulfauler, mittelloser, ungelernter, nicht im entferntesten volljähriger (war man damals erst mit 21) Ausländer!

      Richard Blackmore - ließ sich geradewegs von einer deutschen Stripperin aufreißen (und es war Sommer, Herr Maffay!), hauste tagsüber in deren sicher entzückend eingerichteten Fünf-Zimmer-Wohnung und schrubbte des nachts im angesagten "Telstar"-Sound über die Bühnen der wildromantischen Reeperbahn-Clubs: "Mach Schau, englisch boy!" - so wurde es bereits den Beatles zugerufen, die genauso fucking british, ausgebüxt und von Mama und Papa geliebhaßt waren wie unser kleiner, mackenbehafteter Einzelgänger.

      Genau aber wie Bob Dylan, dessen größter Fan Ritchie heute ist (dazu vielleicht ein andermal), und genau wie so viele andere seiner zwangsbesaiteten Landsleute - Page, Beck, Clapton, Knopfler - hatte und hat Blackmore ein Problem, das in der Psychologie als Borderline-Syndrom (s. Wikipedia) beschrieben wird: Nicht nur im April geboren, reichlich aprilhaft in jeder seiner Lebensäußerungen pflegt der Meister zu sein, on stage wie off stage, you can never quite be sure about him.

      Von wegen, Musik im Blut. Weil er sich durchgewutzelt hat, weil er sich allein auf seine Nischenbegabung konzentrierte, weil er ein Ego besitzt, das drei Meter größer ist als er selbst, und weil er noch immer glaubt, alles, was er so daherspielt, sei im Grunde nur ein großes rundes Garnichts, weil er soo gern Einer wäre und längst ein richtig Großer ist, aber sich noch immer für den dummen grünen Jungen aus dem Walisischen hält, weil, weil, weil - deshalb fällt die Rocklegende Richard Hugh Blackmore, Jahrgang 1945, auf Mütter (!) wie Carole Stevens rein.

      Damit also zu dieser.

      Carole, Amerikanerin, ist das alter ego, die weibliche Entsprechung Ritchies, wenn auch mit anderen Vorzeiche. Sie sah nicht immer so aus wie heute, Mrs. Isralow, täuscht euch nicht, wenngleich liebreizend Candice wohl von einem Extraplatscher aus dem Genpool väterlicherseits profitiert.

      Aber wie das Leben so spielt: Unterfordert als Lehrerin in ihren durchaus vorhandenen Anlagen (Musik, was sonst), kein Glück mit den Männern (welche Frau hat das schon?), über weite Strecken alleinerziehend, geltungsbedürftig bis dorthinaus, aber mangels richtig großer Masse zum (Ehr-)Geiz gezwungen, wächst ihr hübsch Töchterlein heran, das einzige, das vor der bösen Welt wohlgehütete. Candice: Bißchen modeln, doch immer im schicklichen Bereich, ein wenig Trallala hier, mal dort, bis - ja, bis eines Tages, auf dem Fußballfeld, ja, ja, ja...

      Da haben sich also zwei getroffen, halt drei: Ritchie und Candice und Carole. Uns, die Long Islanders, gibt´s nur noch im Dreier-Voratspack, als fröhliche drei Musketiere, all for one and one for all! Wer´s nicht glaubt, zahlt einen Taler, kriegt sein Purple-Shirt umgedreht, die Kamera abgenommen und die Kippe aus dem Mund gefetzt: OBEY TO MY LAW, SERVANTS OF OLD BLACKER, AND BOW YOUR KNEE!

      Fürchtet Euch nicht! Wer Schwiegersohn-Qualitäten, etwas Wiener Charme (und SWiener Schmäh) sowie die Aussicht auf einen Extra-Klacks verwertbare Medienpower verströmt, der findet in Carole Stevens eine sehr freundliche, ja mitteilsame, zugängliche Frau - Love conquers all, ich habe es selbst erlebt, sozusagen als Kriegsteilnehmer zwischen den Fronten: hier das olle Schlachtroß, dort die heranstürmenden Fans und anderes Geschmeiß. Doch ein freundliches Wort, und siehe da: Ali Baba öffnet den Berg Sesam.

      Bitte, das alles hatte - wechselseitig, wie ich behaupte - nichts mit Einschmeichelei zu tun. Im Hause und in der Firma Blackmore, Stevens & Töchterlein achtet man eben darauf, es am besten ausschließlich mit Leuten der eigenen Kampfklasse zu tun zu haben. Und darauf, daß keiner mit leeren Händen ankommt (wie der Trapper in meinem Beispiel) - you gotta bring something to the party, dieses Prinzip lernt jeder Amerikaner von klein auf, und wenn´s nur käsebreit lächeln ist.

      Leute, denkt ans Mittelalter! Unter all dem Eisen und Leder Ritter Kunos steckten doch Menschen, oft gar keine unüblen. Bigottisch, wie sie alle waren, fielen sie vor dem Kreuz auf die Knie - und zogen anderntags zum Nachbarn übern Hügel oder rüber ins Morgenland zu den Mohren und Heiden, schlugen dort sich und anderen die Birne vom Torso, daß es spritzte, oh, den Rittern der Kokosnuß sei´s getrommelt und gepfiffen!

      Ritchie Blackmore, Carole Stevens - vor Mann und Weib erstarren, bringt Normalsterblichen (oder glücklich Aufgewachsenen) den Tod. Open up, spread a little happiness - and we´re over the rainbow! Ritchie und Carole, sie sind sooo handsam (nicht "handsome", sagte ich), wenn man nur was mitbringt zu ihrer Party, wenn man wenigstens ein Bündel Waschbärenfelle in die Runde schmeißt, wenn man was zu Gescheites berichten weiß von jenem Leben da draußen, dem die diese zwei ganz speziellen Leutchen, locked up in the tower of stone, so sehr nachtrauern, jawohl: Eurem und meinem stinknormalen Alltags-Internet-Purple-Forumsleben, weil wir die ganz besonders Normalen und sie nur die ganz besonders Außergewöhnlichen sind.

      Bei vielen Stars habe ich Trapper dieses Phänomen gefunden, selbst bei solchen, die nicht gerade einen ausgeprägten Mama-/Papa-Komplex mit sich herumtrugen. (Was wirklich ein großer Schmerz sein kann, lebenslang.)

      Reden wir also nicht von Geld, das diese Leute reichlich haben und das gefälligst alles lindern soll. Obwohl, natürlich sind sie beide geldgeil, Ritchie wie Carole, und wie! ER frägt immer jeden gleich nach dem Steuersatz im jeweiligen Herkunftsland; SIE will sofort wissen, was es bringt, ob es lohnt, quasi die Parole, ehe sie IHREN Ritchie und IHRE Candice hinaus ins feindliche Blitzlichtgewitter schiebt: GET ME THAT JOLLY GOOD FEELING OF MONEY!

      If you can (or if you know how to pretend), you´re welcome.

      Liebe Blackmorians, allerorten crasht die Börse, überall flitzt Mittelmaß durchs Bild, und wir hier laben uns an diesem gewagten Psychogramm der Blackmore Family. Und doch, wir tun nur unsere Pflicht: SIE spielen Stars & Management, WIR geben die ach-so-leidensfähigen Adepten; SIE geben uns ihre Musik (den Soundtrack unseres Lebens), dazu jede Menge Schikanen, und WIR spendieren jedes Jahr ein paar Extra-Euronen: Wohl bekomm´s allerseits!

      Sechs Monate, sechs ganze Monate - nach meiner letzten Begegnung mit diesem siebzehnjährigen Rotzlöffel im Körper eines 63jährigen, generalüberholten Rockstars brauchte ich ganze 180 Tage, um mir klar darüber zu werden, ob mir diese neuerliche Begegnung nun gut getan hat oder nicht; ich, ja nun selbst nicht mehr taufrisch und doch auch kein Lebensanfänger, zerbreche mir den kopf über so einen Schmarren. Andererseits, soll ich ihn mir zerbrechen über Kerner, Jauch und Beckmann? Carole, wait for me, you´ll find me on my knees...

      Ritchie Blackmore und Begleitung zu treffen - seitdem weiß ich, was Borderline bedeutet.

      Blackmore & Stevens: These two bastards would make a perfect couple, Dr Black and Mrs. More-More-More - wäre da nicht Candice. Denn Freunde, dieses Mädel ist echt, echt, echt, nur deshalb läuft auf Schloß Blacker der Laden, nur deshalb gibt´s kein Purple mehr und kein Rainbow und auch kein Sonstnichts, weil der Weg über den long & winding Burggraben des Lebens allein über dieses blonde, warmherzige Brückerl führt; Miss C. aber hat sich dem Fox-Test unterzogen und alle Prüfungen mit Bravour bestanden. Ritchie hat sich ans Silberkettchen legen lassen, und darum darf Carole weiter den Burgdrachen geben, by courtesy of The Master of Disaster & The Beauty And The Beast.

      Herrschaft, wie die Zeit vergeht! Noch so blaß um die Nase, aber nur noch diese paar wenigen Tage, dann ist der Urlaub zuende, die Bohrinsel wartet, auch wenn der Ölpreis seit Tagen wieder auf menschenfreundliche Unter-Hundert gefallen ist. Schön war´s, schön kann´s noch werden, mal wieder ein paar Tage am Stück diese große alte Musik in diesem kleinen alten Hotel zu hören, sich von den schon angestaubten Erinnerungen und von diesen noch reichlich jungen Erlebnissen mit der BLACKMORE-BORDERLINE-GANG davontragen zu lassen - ich fürchte, es stimmt, mein lieber Pudel: Toto, we´re not in Kansas anymore!

      Zum Glück auch nicht mehr in Weston-Supermare.

      Es grüßt Euch herzlich

      Euer Rock-Fox
      "Encore one more time - for the ghosts of the past in your mind"
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